WayRay Head-up-Display – So navigieren wir in Zukunft
Das Start-up WayRay baut revolutionäre Head-up-Displays. Sie könnten Navigation und Unterhaltung im Auto grundlegend verändern. Das Interesse der Autohersteller ist groß.
Der Straßenverlauf zieht sich bis zum Gipfel. Direkt vor dem Auge – und das, obwohl der noch kilometerweit entfernt ist. Autofahrer können eigentlich nicht einmal bis hinter die nächste Kurve sehen. Möglich wird das mit einer neuen Art des Head-up-Displays (HUD), einer Kombination aus Holographie und Augmented Reality. WayRay spielt scharfe Hologramme mittels Laser auf die Frontscheibe. Damit eröffnet das schweizerisch-russische Start-up eine neue Welt der Navigation.
Bislang gilt das Head-up-Display von Mercedes wie bei der S-Klasse als technisch führend. WayRay will dem Benz den Rang ablaufen – und zwar schon bald. „Unsere Darstellung ist rund zehnmal größer als die von Mercedes“, sagt Vitaly Ponomarev, CEO von WayRay. Beim Versuchsträger sind Weite, Tiefe und Schärfe der Darstellung enorm. Neben dem Straßenverlauf lassen sich Fußgänger, Radfahrer, Verkehrszeichen oder Werbung darstellen – über die ganze Scheibengröße. Statt einfacher Grafiken tanzen Animationen vor der Scheibe. Sie wirken auch ohne 3D-Brille dreidimensional. Zudem bewegen sich die Hologramme analog zum Fahrzeug: Zuschauer steuern sie mit ihrer eigenen Blickrichtung. „Es sollen nur so viele Elemente angezeigt werden, wie es die aktuelle Belastung des Fahrers zulässt“, sagt Vitaly Ponomarev. Der Fahrer darf nicht abgelenkt werden.
So funktionieren die WayRay-Hologramme
Möglich wird das dank einer kompakten Lasertechnik, die im Fahrzeugboden integriert ist. Sie überträgt den rot-grün-blauen Lichtstrahl per Faser zur Bilderzeugungseinheit (picture generating unit, PGU) im Armaturenbrett. Das optische System entwickelt die Hologramme und projiziert diese auf eine spezielle Folie. Bisherige HUD arbeiten hingegen mit Spiegeln.
Zudem benötigt die PGU wenig Platz, nur drei Liter Volumen im Vergleich zu konventionellen HUD mit fast 20 Litern Raumvolumen. Für die exakte Darstellung verarbeitet die AR Rendering Engine (ARRE) Daten von Sensoren, Kameras und Karteninformationen. Damit berechnet sie die Position des Fahrzeugs und rendert virtuelle Objekte in Echtzeit.
WayRay-Hologramme bald auch auf Seitenscheiben?
„Insassen sehen keine reine Reflexion auf der Frontscheibe. Wir transformieren das Licht der Darstellung mit Hilfe feiner Laser und projizieren diese auf die spezielle Photopolymer-Folie in der Scheibe. Dadurch bekommen wir diese Tiefe und Schärfe“, sagt Vitaly Ponomarev. Sonnenstrahlen beeinträchtigen die Darstellung nicht. Liegt die Leuchtdichte bei 12.000 Candela pro Quadratmeter, so bleibt der Energiebedarf bei unter 50 Watt. Nur rund 20 Millisekunden benötigt das System für die komplizierten Berechnungen.
Die Hologramme lassen sich zudem auch an Seitenscheiben projizieren. Das macht sie zu einem interessanten Geschäftsmodell für Taxi-, Chauffeur- und Ride-Hailing-Unternehmen. Damit könnten Inhalte zu Restaurants, Shopping-Angeboten und Sehenswürdigkeiten individuell auf Passagiere zugeschnitten und diesen in der Scheibe offeriert werden. Generell lässt sich nach Aussage von WayRay jede transparente Fläche zu einem Augmented-Reality-Display verwandeln. Also auch beispielsweise Wohnzimmerscheiben zu Hause.
Damit WayRay nicht nur als reiner Zulieferer wahrgenommen wird, hat das Unternehmen Ende 2021 die Fahrzeugstudie Holograktor präsentiert. Die erinnert an den DeLorean DMC-12 aus „Zurück in die Zukunft“. Allerdings sitzen im Heck statt eines Fluxkompensators Sensoren, um damit in die Zukunft zu reisen. Beim Holograktor nehmen vorne zwei Passagiere und hinten einer in der Mitte Platz. Das 4,40 Meter lange E-Auto mit holografischer AR-Verglasung soll in weniger als vier Sekunden auf 100 km/h beschleunigen und mit einer Batterieladung eine Reichweite von bis zu 600 Kilometer erreichen. Auch eine Fernsteuerung über eine 5G- und Satelliten-Internetverbindung von einem qualifizierten externen Fahrer ist möglich. WayRay-Gründer Ponomarev will das Fahrzeug in ein paar Jahren bauen.
Ponomarev wurde 1988 in Shymkent an der Grenze Kasachstans geboren. Er wuchs nahe der russisch-finnischen Grenze und in Baku auf. Science-Fiction-Filme und Computerspiele prägten seine Jugend. „Die Idee einer erweiterten Realität, in der virtuelle Objekte im Raum schweben, hat mich immer begeistert“, sagt Ponomarev. Er will auf Basis der bereits bekannten Systeme einen neuen Standard entwickeln, um 3D-Inhalte besser darstellen zu können. Nach einem Verkehrsunfall 2010, bei dem er vom mittig angeordneten Navi abgelenkt wurde, denkt er um. „Warum verwenden wir in Autos nicht dasselbe Navigationssystem, das wir in Flugsimulatoren auf dem PC einsetzen? Dort werden die Instrumente und Informationen direkt im Sichtfeld des Piloten angezeigt“, sagt er.
Zwei Jahre forscht Ponomarev mit einem Team von anfangs 15 Mitarbeitern an der Technik – mittlerweile sind es mehr als 250. Das Team entwickelt unter anderem ein neues Programm, das refraktive optische Systeme auf der Basis neuartiger Photopolymere simulieren kann. Es wird die Grundlage für die holografische Windschutzscheibenfolie. 2017 zeigt das Start-up im Rinspeed Oasis auf der CES in Las Vegas das erste holografische AR-Infotainment-System für selbstfahrende Autos. 2019 zeigt Genesis auf der CES im G80 das erste holografische Display in einem Serienfahrzeug. Pininfarina stellt im Juli 2021 den Teorema vor, der mit dem holografischen Head-up-Display ausgestattet wird.
WayRay will spätestens 2025 in Serie gehen
Während Laser und Software von WayRay stammen, kommt die Folie von der Bayer-AG-Tochter Covestro AG. Die Folie erhält WayRay nach eigenen Aussagen exklusiv, Nachahmer der Technik wird es daher in nächster Zeit nicht geben. Das hat die Aufmerksamkeit der Autohersteller auf das Start-up gelenkt. Der VW-Konzern bekundet Interesse, Porsche und Hyundai sind schon seit 2018 Teilhaber des Unternehmens.
So modern das Head-up-System auch sein mag, in autonom fahrenden Autos sieht Gründer Ponomarev es nicht. „In den nächsten zehn Jahren wird es keine autonomen Fahrzeuge geben, unser System ist aber jetzt schon serienfrei.“ Die Technologie wird spätestens 2025 in einem Serienfahrzeug integriert. Welches Modell das sein wird, verrät der Gründer nicht. Dafür aber die Funktionen: Navigationshilfen, Sicherheits- und Servicefunktionen sowie Unterhaltung – für einen digitalen Straßenverlauf kilometerweit entfernt.
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