Der dritte Polestar ist der Größte
4,90 Meter lang, fast 90.000 Euro teuer und gut für 610 Kilometern Reichweite: Der Polestar 3 ist ein rein elektrisches Luxus-SUV.
Polestar will schaffen, was Tesla längst kann. Der Autobauer positioniert sich als innovative Tech-Firma für Individualmobilisten. Getreu dem Motto: Wenn schon Auto fahren, dann bitte nachhaltiger, moderner, digitaler, autonomer. Im Falle Polestar außerdem: schwedischer. Der Hersteller müht sich generell um Parallelen zur Schwestermarke Volvo, besonders bei Design und Ausstattung. Nur: richtig schwedisch ist am Polestar nicht so viel, wie es aussieht. Polestar ist ein Joint-Venture zwischen der Volvo Car Corporation und dem chinesischen Konzern Geely. Die Volvo Car Corporation gehört allerdings auch zu einem großen Teil Geely, seit 2010 schon.
Gebaut wird der neue Polestar 3 nun im chinesischen Volvo-Werk Chengdu. Weil bei der Vermarktung der Marke viele Marketings-Tricks angewandt werden, stellt Polestar seine Nachhaltigkeit nach vorn. Mit Wolle im Armaturenbrett, die aus nachverfolgbarer Produktion stammt. Und mit Leder im Innenraum aus zertifizierter Haltung. Beides ist gut, aber nicht mehr als Greenwashing bei einem 4,90-Meter-SUV mit 2,6 Tonnen Gewicht und der Akkukapazität von drei Elektro-Kleinwagen. Zumindest bedenklich darf dieses Feature gelten: Ein Innenraumradar überwacht bei Abwesenheit des Fahrers den Innenraum und schaltet automatisch die Klimaanlage an, wenn Kinder oder Tiere im Auto geblieben sind. Bedenklich deshalb, weil man beides, weder Tiere noch Kinder, nicht im Auto „vergessen“ sollte. Wer das tut, der sollte vielleicht seine Fahrfähigkeiten ganz grundsätzlich in Frage stellen.
Zurück zum Polestar. Besonders nachhaltig scheint das Auto nicht zu sein. Zumal Polestar zwar mit der Herkunft der optionalen Innenraumbezüge wirbt, aber sich mit Details zur restlichen Klimabilanz des Autos sehr zurückhält. Kein Wort zur Herkunft der seltenen Erden, der Akkuproduktion, dem CO2-Ausstoß während der Herstellung oder der Wiederverwertbarkeit der Materialien. Mit Umweltschutz kann man im Autobau eben (noch) kein Geld verdienen. Mit großen, grün gefärbten SUVs hingegen schon.
Polestar 3: Maße, Akku, Reichweite
Polestar entwickelt den Polestar 3 vor allem für die Märkte USA und China. Dort funktioniert die Karosserieform besonders gut. Das Segment ist umfangreich besetzt, unter anderem mit Tesla Model X, Audi E-Tron und Mercedes EQE SUV. Polestar schielt bei der Konzeption aber vor allem nach München: Der Polestar 3 gleicht dem BMW iX in fast allen relevanten Punkten, von den Maßen bis zur Akkukapazität.
Das bedeutet: Der Polestar 3 gehört mit 4,90 Metern Länge, knapp 2 Metern Breite und 1,61 Metern Höhe zu den größten Pkw auf dem europäischen Markt. Polestar baut trotzdem nur fünf Sitzplätze ein. Es gibt viel Beinfreiheit in Reihe zwei und einen überschaubaren Kofferraum mit 484 Litern Volumen. Mit umgeklappten Sitzlehnen lädt das Auto 1.411 Liter Gepäck ein. Mittelklasse-Kombis wie ein Audi A4 oder eine Mercedes C-Klasse verstauen mehr Gepäck.
Der Akku des Polestar 3 speichert 111 kWh. Zur Einordnung: Der Kleinwagen Honda-e kommt mit einem Drittel dieser Kapazität aus (35,5 kWh). Das Basismodell des VW ID.3 schleppt einen Speicher mit, der halb so groß ist (55 kWh). Aber der Polestar 3 soll weit fahren, und das geht nur mit einem riesigen Akku. Der Hersteller kündigt 610 Kilometer Reichweite an und akzeptiert dafür, dass das Auto 2,6 Tonnen wiegt – genauso viel wie der BMW iX.
Ladedauer und Ladeleistung des Polestar 3 (2023)
Polestar stelt sein großes SUV auf die SPA2. Das bedeutet, dass der Hersteller nicht alle Möglichkeiten ausnutzt. Hinter Polestar steht der chinesische Konzern Geely. Und Geely rollt in seinen Marken die Architektur SEA (Sustainable Experience Architecture) aus. Anstelle der dort möglichen Akkuspannung von 800 Volt muss sich der Polestar 3 mit 400 Volt zufriedengeben. Audi, Porsche, Kia, Hyundai und Genesis sind da schon weiter. Sie arbeiten mit der doppelten Spannung, das bedeutet: sie können schneller laden.
Schnell lädt der Polestar 3 trotzdem: Im Datenblatt stehen maximal 250 kW. Spürbar mehr Leistung kommt nur bei den wenigsten Elektroautos an. Polestar gibt außerdem an, dass der Ladevorgang von 10 bis 80 Prozent an der Schnellladesäule eine halbe Stunde dauert. Der BMW iX parkt für die gleiche Arbeit eine Viertelstunde länger. Gut für den Polestar – aber: Mit der neuen Plattform könnte er die Pause auf 20 Minuten verkürzen.
Polestar beschränkt sich vorerst auf die klassische Art der Performance. Zwei Motoren treiben den Polestar 3 an, einer je Achse. In der Basisversion leisten sie gemeinsam 360 kW (489 PS) und 840 Newtonmeter Drehmoment. Für 6.600 Euro Aufpreis steigert ein Performance-Paket die Leistung auf 380 kW (517 PS) und 910 Newtonmeter, senkt dafür aber die Reichweite auf 560 Kilometer. Dafür sprintet das Auto ein Augenzwinkern schneller auf Tempo 100 (4,7 statt 5,0 Sekunden). Alte Werte in einem neuen Auto.
Ausstattung und Assistenz im Polestar 3 (2023)
Neue Werte gibt es auch. Allen voran bei der Digitalisierung: Polestar verspricht eine leistungsfähige Digital-Architektur mit moderner Hardware im großen SUV. Das Infotainment-Betriebssystem kommt von Google (Android Automotive OS) und soll einen besonders breiten Funktionsumfang bieten. Ein zweischneidiges Thema: Viele Hersteller wollen Google nicht die Daten ihrer Kunden anvertrauen, sie verzetteln sich aber mit der Produktion einer vergleichbaren Software.
Per Over-The-Air-Updates kommen kabellos neue Softwarestände in den Polestar. Sie können Funktionen verbessern oder ergänzen, zum Beispiel bidirektionales Laden freischalten. Das Auto ist darauf bereits vorbereitet. Sobald die Gesetzeslage es zulässt, könnte der Hersteller die Option aktivieren. Dann könnte das SUV ein großer Notstromakku für ein Haus sein.
Polestar zählt außerdem auf, dass fünf Kameras, fünf Radarsensoren und zwölf Ultraschallsensoren die digitalen Helfer und Assistenten des Autos mit Daten versorgen. Ein geschickter Seitenhieb in Richtung Tesla: Die Elektroauto-Marke aus Palo Alto will sich künftig vollständig auf Kameras verlassen und alle anderen Sensoren streichen. Der Polestar fährt autonom nach Level 2, hält also Tempo, Abstand und Spur.
Polestar 3: Markstart und Preis
Letztendlich ist der Polestar 3 also ein ganz normales Elektro-SUV mit einer guten Ausstattung und einem hohen Einstiegspreis. Serienmäßig gibt es in ihm Luftfederung, ein Panoramaglasdach, versenkbare Türgriffe, 21-Zoll-Räder, eine teure Audioanlage mit 25 Lautsprecher, Soft-Close-Türen, ein Head-up-Display und autonome Fahrassistenten.
Der Polestar 3 soll im vierten Quartal 2023 in Europa starten, also in gut einem Jahr. Online lässt er sich schon jetzt vorbestellen. In seiner Basisversion kostet er 88.600 Euro. Damit ist er rund 14.000 Euro günstiger als der vergleichbare BMW. Mobilitätsprobleme löst er allerdings nicht. Der Markt der hochpreisigen Elektro-SUVs ist gut besetzt. Es mangelt an bezahlbaren Autos.
Technische Daten – Polestar 3
Modell | Polestar 3 (mit Performance-Paket) |
Reichweite (WLTP) | 610 km (mit Performance-Paket: 560 km |
Ladedauer DC | 30 Minuten (10-80 Prozent) |
Ladeleistung DC | 250 kW |
Ladedauer AC | ca. 11 Stunden (0-100 Prozent) |
Ladeleistung AC | 11 kW |
Kofferraum | 484 – 1.411 l |
Länge | 4.900 mm |
Breite | 1.1.968 mm (mit Außenspiegeln: 2.120 mm) |
Höhe | 1.614 mm |
Radstand | 2.985 mm |
Gewicht | 2.584 – 2.670 kg |
Akkukapazität | 111 kWh |
0-100 km/h | 5,0 s (mit Performance-Paket: 4,7 s) |
Geschwindigkeit | 210 km/h |
Leistung | 360 kW/489 PS (mit Performance-Paket: 380 kW/517 PS) |
Drehmoment | 840 Nm (mit Performance-Paket: 910 Nm) |
Antrieb | Elektrisch, Allrad (zwei Motoren |
Verbrauch (Norm) | noch nicht bekannt |
Basispreis | 88.600 Euro |
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