Mercedes Vision EQXX: Reichweite von Berlin bis Paris

Effizienz statt SUV: Mit dem Vision EQXX gibt Mercedes einen Ausblick auf die E-Mobilität der nahen Zukunft. Neben 1.000 km Reichweite gibt es nachhaltige Materialien und rekordträchtige Aerodynamik.

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Heiko Dilk
Der Mercedes Vision EQXX von schräg vorne auf der Landstraße
Mit dem Vision EQXX zeigt Mercedes ein Elektroauto, das mit einer Akkuladung auf eine Reichweite von rund 1.000 Kilometern kommen soll. Der Akku fasst dabei weniger als 100 kWh und soll in einen Kleinwagen passen. [Bildquelle: Daimler]

Das war es mit der Reichweitenangst: Der Mercedes EQXX schafft 1.000 Kilometer am Stück mit nur einer Akkuladung. Das reicht knapp für die Strecke von Berlin nach Paris, von München bis Rom oder fast von Hamburg bis Oslo auf dem Land- und Brückenweg. Anders ausgedrückt: Der EQXX fährt deutlich weiter, als durchschnittlich gepolsterte Hintern aushalten.

Um die Begeisterung zu bremsen: Der Mercedes EQXX ist kein Serienfahrzeug. Rein elektrische Langstreckentauglichkeit mit rund 1.000 Kilometern Reichweite kann man noch nicht kaufen. Aber viel, was im EQXX steckt, wurde laut Mercedes bereits in die Produktion integriert. Mehr kommt spätestens mit der neuen Plattform für Kompakt- und Mittelklasse-Autos MMA auf die Straße. Wobei: Auf die Straße darf der EQXX auch demnächst. Er verfügt über eine Straßenzulassung.

Die 1.000 Kilometer Reichweite sind dennoch zunächst ein theoretischer Wert – und zugleich praxisnah. Mercedes hat ihn im Computer herausgefahren, dabei aber den realen Straßenverkehr simuliert. Wie Entwicklungsvorstand Markus Schäfer erläutert, wurde dabei eine „reale Langstreckenfahrt mit Stadt, Landstraße und hohen Geschwindigkeiten auf der Autobahn“ zugrunde gelegt. Was gemäß den weltweit überwiegend geltenden Tempolimits 120 bis 130 km/h bedeutet.

Einen Stromverbrauch laut WLTP gibt es auch bereits, obwohl der EQXX noch nicht homologiert wurde. Er soll bei weniger als 10 kWh auf 100 Kilometern liegen. Entsprechend verspricht Schäfer „deutlich mehr als 1.000 Kilometer“ für die Normreichweite. Wobei er auch sagt: „Was bei der Zertifizierung herauskommt, ist für uns nebensächlich.“ Mercedes lege Wert auf die reale Reichweite im Alltag. Die geht den Entwicklern auch über hohe Ladegeschwindigkeiten. Die konkrete Ladeleistung des EQXX verrät Schäfer nicht, verspricht aber „etwa 300 Kilometer Reichweite in 15 Minuten“. Den gleichen Wert avisiert er für die kommenden Modelle auf der MMA-Plattform, die ab 2024 auf die Straße kommen.

Mercedes EQXX 300 km in 15 Minuten nachladen

Ladeleistung liegt eben etwas weniger im Fokus bei Mercedes. Das zeigt bereits der EQS, der mit 200 kW in der Spitze hinter anderen Herstellern zurückbleibt. Dank sehr ansehnlicher durchschnittlicher Ladeleistungen bis 80 Prozent Füllstand lädt auch er unter guten Bedingungen in 15 Minuten rund 300 Kilometer nach. Laut Schäfer ist das mit der bekannten Batterie-Chemie weiterhin ein notwendiger Kompromiss.

Knapp 100 kWh Energie fasst die Batterie des EQXX, also etwas weniger als im Mercedes EQS. Der aktuelle Reichweitenkönig von Mercedes schafft damit im besten Fall 780 Kilometer laut Norm, und deutlich weniger auf der Straße. Dabei nimmt der Akku im EQXX nur halb so viel Platz ein wie der im EQS, und er wiegt 30 Prozent weniger. Die Energiedichte liegt bei 400 Wh/l, was am oberen Ende dessen liegt, was mit aktueller Akkutechnologie erreicht wird. Für bis zu 25 Kilometer extra werden Solarpaneele im Dach verbaut. Das Gewicht des EQXX insgesamt gibt Mercedes mit knapp 1.800 Kilo an.

Das Heck mit abrisskante des Mercedes Vision EQXX
Die klare Abrisskante am Heck des Mercedes Vision EQXX optimiert die Luftströmung. Dazu verbaut Mercedes einen Diffusor am Heck, der bei 80 km/h ausfährt und sowohl die Windschlüpfigkeit als auch die Fahrstabilität optimiert. [Bildquelle: Daimler]

Mercedes EQXX: Antrieb mit 95 Prozent Wirkungsgrad

Der Fokus der Entwicklung lag laut Mercedes auf höchstmöglicher Effizienz. Klingt logisch, insbesondere beim Elektroauto, wurde jedoch kaum je in dieser Konsequenz umgesetzt. Ein Großteil der Elektroautos auf dem Markt macht Kompromisse. Sei es, um E-Auto und Verbrenner auf einer Plattform unterbringen zu können, aus Kostengründen, oder weil Kund*innen nach wie vor am liebsten SUVs kaufen. Die zudem den Vorteil der hohen Bauform haben, um viel Akkukapazität unterzubringen. Und dies wegen ihrer schlechten Aerodynamik mit hohem Verbrauch erkaufen.

Der Mercedes EQXX hingegen setzt auf Effizienz beim Antriebsstrang, bei der Form, bei der Konstruktion und bei der Fertigung. Erstes Highlight im Antrieb: Ein einzelner Elektromotor leistet nur 150 kW (204 PS). Erfrischend. Er bildet gemeinsam mit Getriebe und Leistungselektronik eine Einheit. Für die Entwicklung arbeiteten die Entwickler bei Mercedes eng mit den Formel-1-Ingenieuren von Mercedes-AMG HPP (High Performance Powertrains) zusammen.

So kommen laut Mercedes 95 Prozent der im Akku gespeicherten Energie an den Rädern an. Damit diese die Energie möglichst verlustfrei auf die Straße bringen können, zieht Mercedes Reifen mit geringem Rollwiderstand und aerodynamisch optimierten Flanken auf die Felgen. Die wiederum sind ebenfalls aerodynamisch optimiert.

Mercedes Vision EQXX in der dreiviertel Heckansicht
Der Mercedes EQXX kommt auf einen cw-Wert von 0,17. Mitverantwortlich dafür sind neben der strömungsgünstigen Form diverse passive und aktive Aerodynamik-Bauteile wie der glatte Unterboden und ein ausfahrbarer Diffusor am Heck. [Bildquelle: Daimler]

Effizienz durch Aerodynamik: cw 0,17

Überhaupt: Aerodynamik. Mercedes hat das Thema schon vor einiger Zeit für sich entdeckt. Als Effizienz-Maßnahme und natürlich als Marketing-Botschaft. Seit 1999 leitet Teddy Woll bei Mercedes den Bereich Aerodynamik und Windkanal. 2013 erreichte er mit seinem Team beim Mercedes CLA mit cw 0,22 einen aerodynamischen Rekord für Serienfahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Der aktuelle EQS schafft cw 0,20 und liegt damit laut Mercedes weltweit an der Spitze für Serienfahrzeuge. Beim EQXX steht sogar cw 0,17 im Datenblatt. Zahlreiche Maßnahmen tragen dazu bei. Neben der strömungsgünstigen Grundform mit kleiner Stirnfläche sind das diverse aktive und passive Elemente, die den Luftwiderstand so klein wie möglich halten. Unter anderem bringt Mercedes einen aktiven Diffusor am Heck an, der ab 80 km/h ausfährt, den Luftwiderstand verringert und gleichzeitig die Fahrstabilität erhöht.

Mehr über die Bedeutung der Aerodynamik im Elektrozeitalter erfährst Du in unserem Podcast mit Teddy Woll

Als Rekord geht cw 0,17 nicht durch, weil der EQXX kein Serienfahrzeug ist. Beeindruckend ist es dennoch. Zwar sieht man dem EQXX an, dass er stärker im Windkanal geformt wurde als andere Modelle. Die flache Schnauze und insbesondere das abfallende und sich leicht verjüngende Heck mit der klaren Abrisskante verraten ihn (die hintere Spur ist 50 mm schmaler als die vordere). Im Innenraum bietet er jedoch bei einem Radstand von 2,80 Metern Platz für vier Erwachsene.

Blick ins Cockpit des Mercedes Vision EQXX
Das Cockpit im Mercedes Vision EQXX besteht aus einem einzigen nahtlosen Display, das die komplette Breite von A-Säule bis A-Säule einnimmt. Die Bedienung soll dank künstlicher Intelligenz intuitiver ausfallemn als je zuvor. [Bildquelle: Daimler]

Nachhaltige Werkstoffe im Mercedes EQXX

Vorne blickt man dabei auf ein Armaturenbrett, das eigentlich nur noch aus einer einzigen Armatur besteht. Ein 47,5 Zoll breiter, nahtloser Bildschirm mit einer Auflösung von 7.680 x 660 Pixeln zieht sich über die komplette Fahrzeugbreite. Steuerung und Bedienung des Systems sollen intuitiver denn je funktionieren und immer genau jene Funktionen anbieten, die gerade benötigt werden. Natürlich hilft künstliche Intelligenz bei der Bedienung. Und dabei, die Sprachsteuerung noch cleverer zu machen. Sie kommt aber auch um Einsatz, um den Energieverbrauch des Gesamtsystems zu reduzieren. Das Auto „denkt“ mit sogenannten „Spiking Neural Networks“ und soll so das menschliche Gehirn nachahmen.

Ohne Frage relevanter dürfte für die nahe Zukunft die nachhaltige Fertigung des EQXX sein. Die bezieht sich nicht nur auf den Einsatz der Materialien, sondern auch auf die Konstruktion selbst. Sogenannte „bionische“ Fertigungsverfahren sollen den Materialeinsatz insgesamt so gering wie möglich halten. Wo nicht auf Material verzichtet werden konnte, bedient Mercedes sich bei diversen Startups. Also gibt es Türgriffe aus veganem, seidenähnlichem Gewebe, veganes Leder aus Pilzwurzeln, Lederersatz aus Kaktusfasern, Teppiche aus Bambus oder Kunststoffersatz aus Haushaltsabfällen. Nicht neu, aber zum Teil aus recycelten Materialien hergestellt: Die Microfaser Dinamica, die schon seit einiger Zeit in Mercedes-Modellen zum Einsatz kommt.

Schon seit einiger Zeit auf dem Prüfstand laufen diverse Komponenten, die im EQXX zum Einsatz kommen. Ab 2024 werden sie dann in den ersten Modellen der Kompakt- und Mittelklasse auf neuer MMA-Plattform auf die Straße finden. Und der EQXX selbst? Eins zu eins wird man ihn eher nicht als Serienmodell wiederfinden. Aber womöglich so ähnlich. Schäfer verspricht für 2024 bis 2025 „hochemotionale“ Fahrzeuge, logisch. „So was ähnliches“ wie den EQXX, also ein viertüriges Auto mit niedriger Bauhöhe, könne er sich zumindest vorstellen.

Technische Daten – Mercedes Vision EQXX
Reichweite ca. 1.000 km (simuliert)
Verbrauch (WLTP) 10 kWh/100 km
Leistung 150 kW (204 PS)
Energiegehalt des Akkus <100 kWh
Radstand 2,80 m
cw-Wert 0,17
Gewicht ca. 1.750 kg

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