Der Opel Astra im Test: Gut ohne Rückblick

Ein neues Gesicht, frische Unterwäsche und endlich Strom: Der Opel Astra startet 2022 als Plug-in-Hybrid und 2023 als Elektroauto Astra-e. Erste Fahrt.
Constantin Bergander
Constantin Bergander
Opel Astra L Dreiviertel Front
Zum ersten Mal treibt Opel den Astra mit Strom an: Zwei Plug-in-Hybride und ein Elektroauto sind geplant [Bildquelle: Opel]

Ein Auto mit Tradition, aber ohne Nostalgie: Opel erfindet den Astra neu, anstatt zurückzublicken. Nach 60 Jahren und zehn Fahrzeuggenerationen in der Kompaktklasse könnte der Hersteller ein Medley der schönsten Erinnerungen konstruieren. Stattdessen kappt er alle Verbindungen zu den Ahnen. Gemeinsamkeiten des neuen Astra mit seinem Vorgänger beschränken sich auf Maße, Ausrichtung und Namen. Gut so, denn er legt schlechte Angewohnheiten ab.

Interessant sind vor allem die neuen Antriebe: Zum ersten Mal spielt Strom eine Rolle im Astra. Für 2023 kündigt Opel den Astra-e an, ein Elektroauto. Bis es so weit ist, steht ein Plug-in-Hybrid in der Preisliste. Der fährt bis zu 60 Kilometer weit rein elektrisch, sagt Opel. Wie viel davon in der Praxis übrigbleibt, klärt der erste Test im Astra L mit Teilzeit-Stromer.

Erste Fahrt im Astra Plug-in-Hybrid: Reichweite und Verbrauch

Seine Hybridtechnik übernimmt der neue Astra von den Konzernschwestern: Modelle von Peugeot, DS und Citroën, aber auch der Opel Grandland, fahren mit gleicher Mechanik. Dort arbeitet sie erfahrungsgemäß nicht besonders effizient. Während der ersten Fahrt schlägt sich der Plug-in-Astra dennoch gut. Sein Akku (Kapazität: 12,4 kWh brutto) liefert Energie für 51 Kilometer Fahrt durch Städtchen, auf Landstraßen und Autobahnen. Beim Start fehlen sogar drei Prozent Akkuladung – der Astra kratzt also fast an seinem Normwert.

Dabei ist zu beachten: Bei 20 Grad Außentemperatur während der Testfahrt geht wenig Energie für die Klimatisierung von Innenraum oder Akku drauf. Besonders bei kaltem Wetter patzen die Geschwister des Astra. Insgesamt macht der Hybrid dennoch Lust auf den Astra-e. Denn er bewegt sich mit 110 Elektro-PS spontan, leise, kräftig und angemessen sparsam. Die meisten Pendelstrecken dürfte er problemlos ohne Verbrenner packen.

Sein 1,6-Liter-Motor übernimmt mit 150 Benzin-PS immer dann, wenn der Akku leer ist, oder der Elektromotor der Fahrpedalstellung nicht nachkommen kann. Theoretisch kann er außerdem die Traktionsbatterie laden – aber das ergibt ökologisch keinen Sinn. Besser funktioniert er als Backup oder für die gelegentliche Langstrecke. Auf der flotten Testfahrt mit leerem Akku errechnet der Bordcomputer einen Verbrauch von sieben bis acht Litern pro 100 Kilometer. Keine Meisterleistung, aber gemessen am Fahrprofil angemessen. Den Normwert von etwa einem Liter erreicht nur, wer fast ausschließlich elektrisch fährt.

Opel Astra L Profil
Tempo ist nicht die Stärke des neuen Astra. Dafür glänzt er mit einem ausgewogenen Fahrwerk [Bildquelle: Opel]

Opel Astra L: Motoren, PHEV, Astra-e

Noch im laufenden Jahr will Opel einen zweiten Plug-in-Hybrid im Astra ergänzen. Der entspricht technisch weitgehend dem verfügbaren Antrieb, er leistet aber 225 statt 180 PS. Auf die zusätzliche Kraft kann der Astra locker verzichten. Toll: Beide Plug-in-Hybride und den Elektroantrieb wird Opel in Fünftürer und Astra Sportstourer (Kombi) anbieten. In der großen Karosserie haben die Hybride nur wenig Konkurrenz. Einen Elektro-Kombi hat sich bisher nur MG getraut – der Astra-e Sportstourer tifft nur auf den MG5 Electric.

Neben den Antrieben, die aktuell noch als „alternativ“ gelten, bietet Opel drei klassische Verbrenner an. In der Preisliste stehen zwei Benziner mit je drei Zylindern und 110 bzw. 130 PS. Der einzige verfügbare Diesel ist 130 PS stark. Beide großen Motoren kombiniert der Hersteller optional mit einer Achtgang-Automatik. Je nach Karosserie und Ausstattung stoßen sie 113 bis 130 Gramm CO2 pro Kilometer aus – die elektrifizierten Varianten müssen also ausgleichen.

Innen- und Kofferraum des Opel Astra L (2022)

Dass sich im Astra viel ändert, sieht man ihm schon an den Lampen an. Optisch fügt sich Opels Kompakter in den Stil ein, den der Opel Mokka B seit einem Jahr vorgibt: Viele Linien und Kanten, abgewinkelte Lichter und viel weniger verschnörkelt als zuvor. Letzteres gilt besonders für den Innenraum. Opel räumt gründlich auf und gliedert ihn klar. Die verspielten Formen des Vorgängers sind vergessen.

Gut: Opel integriert den Touchscreen in das Geschehen, mutet ihm aber nicht die komplette Bedienung des Autos zu. Echte Tasten steuern Klimatisierung und Lautstärke. Das funktioniert intuitiv und während der Fahrt, ohne den Blick von der Straße zu wenden. Digital genug ist der Astra trotzdem: Android Auto sowie Apple CarPlay verbinden sich (serienmäßig!) kabellos. Die beiden großen Displays im Cockpit gehören ebenfalls zur Standardausstattung. Ein gutes Head-up-Display mit Projektion auf die Frontscheibe gibt es optional.

Vorn im Astra sitzt es sich gut, vor allem auf den optionalen Sitzen mit AGR-Siegel („Aktion gesunder Rücken“). Leder steht in der Aufpreisliste, eine ausgewiesen tierfreie Alternative nicht. Der Fond bietet genug Platz für zwei Erwachsene. Auf allen Plätzen gilt allerdings: Nach oben wird es eng. Weil die Architektur des Astra Akkus für die Elektro-Variante berücksichtigt, blockieren sie in allen Derivaten Platz. Problematisch wird das erst in Verbindung mit dem Panoramadach und bei Körpergrößen jenseits der 1,90 Meter. Für diese Menschen könnte auch der Fahrerfußraum zu eng werden.

Vorbildlich: Der Astra Fünftürer lädt mehr ein als die meisten Konkurrenten. 422 Liter Ladung passen unter die Abdeckung. Mit umgelegten Rücksitzen verstaut er 1.339 Liter – das sind 50 bis 130 Liter mehr, als der Vorgänger einpackt. Der Plug-in-Hybrid belegt allerdings etwa 70 Liter des Platzes im Astra-Kofferraum – obwohl es andere Möglichkeiten geben würde. Das hätte der Stellantis-Konzern bei der Konstruktion der Architektur besser lösen können.

Opel Astra L Armaturenbrett
Aufgeräumt: Das Cockpit des Opel Astra L (2022) [Bildquelle: Opel]

So fährt der neue Opel Astra L (2022)

Den Sport thematisiert der Astra nicht offensiv. Viel Kraft bietet er nur an, wenn er zwei Antriebe kombinieren muss. Hier liegt der Fokus auf der Ergänzung, nicht der Addition. Unser Testwagen lässt also seine 180 PS nicht mit Sound oder aufregenden Fahrdaten raushängen. Ambitionen, mit einem Golf GTD zu wetteifern, spüren wir nicht.

Das bedeutet aber nicht, dass Opel die Dynamik vergisst. Der Astra realisiert eine tolle Kombination aus Komfort, Gefühl, Ruhe und Rückmeldung. Typ: Drahtig bis definiert, aber versteckt im stylischen Hoodie. Stöße von Querfugen federt er angenehm weg, um dann die Dämpferbewegung bestimmt einzufangen. Nick- und Rollbewegungen halten sich in Grenzen. Kurzum: Viel besser hätte Opel den 1,7-Tonner nicht abstimmen können.

Layout und Bauteile des Fahrwerks gibt die Architektur (und damit der Konzern) vor. Opel weist aber darauf hin, dass Lenksoftware, die Abstimmung der Stoßdämpfer und der Stabilisatoren Aufgabe der Marke sind. Und dass sich darin der neue Opel Astra vom technisch weitgehend identischen Peugeot 308 unterscheidet.

Opel Astra (2022): Preise

Der gute erste Eindruck des Plug-in-Hybriden dürfte Opel helfen, die CO2-Ziele zu erreichen. Letztlich zählt aber der Preis: Der Plug-in-Hybrid kostet in der lohnenden Business-Ausstattung 35.800 Euro. Nach Abzug der Umweltprämie bleiben knapp 29.000 Euro übrig. Voll gefördert kostet er also etwa 1.500 Euro weniger als ein gleich ausgestatteter Diesel mit Automatik.

Das Basismodell mit kleinem Benziner schreibt Opel mit 22.465 Euro in die Preisliste. Wenn VW den Golf in einer entsprechenden Ausstattung derzeit anbieten würde, wäre der etwas teurer. Aktuell ist er nicht mit Basisausstattung und kleinem Motor verfügbar. In jedem Fall hat der Astra das Potenzial, dem Zulassungskönig in der Kompaktklasse verdammt nah ans Blech zu fahren. Noch so eine Sache, die er besser macht als vor dem Modellwechsel.

Constantin Redakteur mobility.talk

Fazit:

Unter neuem Management fühlt sich der Astra besser an als vorher: Abstimmung, Bedienung und Platzangebot beseitigen die letzte GM-Wehmut. Spätestens mit dem Elektro-Kombi ab 2023 könnte der Astra wieder zur echten Größe in der Kompaktklasse werden.

Constantin | @MobilityTalk

Technische Daten – Opel Astra L Plug-in-Hybrid (2022)
Reichweite elektrisch (WLTP)60 km
Reichweite elektrisch (Test)51 km
CO2-Ausstoß (mit deutschem Strommix, ohne Ladeverluste)62 g/km
Ladedauer AC4 Stunden (3,7 kW); 2 Stunden (7,4 kW))
Kofferraum352 – 1.268 l
Länge4.374 mm
Breite1.860 mm 
Höhe1.442 mm
Radstand2.675 mm
Gewicht1.678 kg
Zuladung472 kg
Akkukapazität12,4 kWh (brutto)
0-100 km/h7,6 s 
Geschwindigkeit225 km/h
LeistungVerbrenner: 110 kW (150 PS); Elektromotor: 81 kW (110 PS); Systemleistung: 133 kW (180 PS)
Drehmoment360 Nm
AntriebPlug-in-Hybrid, Front, Achtgang-Automatik
Verbrauch (WLTP)1,0 – 1,1 l/100km und 14,2 – 15,1 kWh/100km
Verbrauch (Test)7,3 l/100 km oder 17,3 kWh/100 km
Basispreis Opel Astra L22.465 Euro
Basispreis Opel Astra L Plug-in-Hybrid35.800 Euro

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