Phase AD3: Das Moutainbike mit drei Rädern

Mit gelähmten Beinen Downhill fahren – das klingt unmöglich. Doch der Brite Alex Desmond und die Schweizer Downhill-Fahrerin Lorraine Truong beweisen das Gegenteil – dank eines dreirädrigen Mountainbikes.

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Dennis Merla
Ein Bike mit drei Rädern in einem Wald
Sechs Jahre lang tüftelte der ehemalige Fahrzeugingenieur Alex Desmond an dem Phase AD3 [Quelle: Orange-Bikes]

Lorraine Truong war jahrelang professionelle Downhill-Fahrerin. Mit bis zu 70 Kilometern pro Stunde raste sie mit ihrem Mountainbike über Wurzeln, Steine und durch Passagen mit einem Gefälle, das selbst zu Fuß kaum zu bewältigen ist.

Im Juli 2015 stürzt Truong bei einem Lauf im französischen Samoens schwer und zog sich Schädel-Hirn-Trauma zu. Seitdem kann sie ihre Beine nicht mehr bewegen. Etwa zur selben Zeit beginnt in England der ehemalige Jaguar-Land-Rover-Fahrzeugingenieur Alex Desmond mit der Arbeit an einem adaptiven E-Mountainbike. Damals kennen sich die beiden noch nicht. Sechs Jahre später sitzt Truong auf dem dreirädrigen Prototyp, dem Phase AD3, und hilft Desmond bei der Entwicklung.

Die Besonderheit des Phase AD3 sticht sofort ins Auge: das doppelläufige Lenkgestänge. Die beiden Vorderräder können sich vertikal unabhängig voneinander bewegen. Möglich macht das ein von Desmond entwickeltes Gestänge, das die Neigungsbalance von der Lenkung trennt. Heißt: Der Lenker bleibt immer stabil auf einer Ebene, während sich die Räder darunter unabhängig voneinander bewegen können. Es ermöglicht Fahrer*innen Kurven mit bis zu 40 Prozent seitlichem Gefälle zu fahren, ohne dass eines der Räder den Bodenkontakt verliert.

Ein „fliegender Teppich“

Ihre Federung macht die Vorderräder so flexibel. Der Federweg misst 175 Millimeter, auf unwegsamen Gelände kann ein einzelnes Rad Hindernisse bis zu einer Höhe von 345 mm ausgleichen. Entwickler Alex Desmond beschreibt das so: „Es ist wie ein fliegender Teppich über Wurzeln und Furchen. Mit diesem zweiten Vorderrad hast du ein unglaublich leistungsfähiges Fahrrad, das sich durch unwegsames Gelände meistert.“

Zwei statt einem Vorderrad erleichtern nicht nur die Balance und verhindern, dass das Mountainbike bei niedrigen Geschwindigkeiten umkippt. Sie erhöhen auch den Grip des Bikes. Und zwar so gut, dass Truong bei den ersten Erprobungsfahrten mit dem Prototyp kaum einzufangen war: „Als wir es getestet haben, konnte niemand mit Lorraine in flachen Kurven mithalten, sie ist so verdammt schnell und das Phase AD3 hat ihr einfach viel Grip gegeben“, sagt Desmond. Mit der ehemaligen Profi-Sportlerin hatte der Brite die perfekte Entwicklungspartnerin. In der Downhill-Rennserie „Enduro World Series“ schaffte sie es mehrmals unter die Top Ten.  Zudem ist sie selbst Material- und Ingenieurwissenschaftlerin mit einem Master in Maschinenbau. Zu ihren ehemaligen Arbeitgebern gehört unter anderem der Schweizer Fahrradhersteller BMC.

Das Bike Orange Phase AD3 bei einer Bergabfahrt
Ein Gashebel am Lenker ersetzt das Pedale-Treten [Quelle: Orange-Bikes]

Das Phase AD3 hat zwei elektrische Fahrmodi. Truong fährt mit dauerhafter elektrischer Unterstützung – in die Pedale kann sie nicht mehr treten. Dazu zieht sie wie bei einem Motorrad an einem Griff am Lenker. Der zweite Fahrmodus unterstützt per Elektromotor erst beim Treten in die Pedale – funktioniert also klassisch wie jedes andere Pedelec auch. Der im Phase AD3 verbaute Motor bringt eine Dauernennleistung von 1,5 kW mit. Die Spitzenleistung liegt bei 2 kW und etwa 150 Nm.

Kein Bike für den Straßenverkehr

Den Strom zieht der Phase AD3 aus einem tauschbaren 504-Wh-Akku. Seine Lebensdauer und Reichweite hängen davon ab, wie sehr Fahrer*innen in die Pedale treten können. In Truongs Fall reicht eine Akku-Ladung für etwa 700 Meter „Klettern“ in steilem Gelände oder für rund 25 Kilometer Bergabfahrt. Der Fahrradhersteller Orange-Bikes möchte das Bike nun zusammen mit Desmond in Kleinserie bauen und bei jedem Exemplar die individuellen Anforderungen der Kund*innen einarbeiten.

Übrigens: Der Straßenverkehr ist mit dem Phase AD3 tabu, dafür ist das Bike aber auch nicht ausgelegt. Es ist ein für Downhill-Fahrten konzipiertes Sportgerät. In Truongs Heimatland, der Schweiz, gilt für schnelle S-Pedelecs eine Leistungsgrenze von 1 kW. In Deutschland sind zwar bis zu 4 kW Leistung bei S-Pedelecs erlaubt, in beiden Ländern wäre das Bike dann jedoch führerschein- und versicherungspflichtig und müsste weitere spezielle Auflagen erfüllen, etwa befestigte Rückspiegel oder Reflektoren.

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