Strom lohnt sich: CO2-Bilanz der Antriebsarten
Strom, Wasserstoff, E-Fuels oder doch Diesel und Benzin? Die CO2-Bilanz von Elektroautos wird immer besser. Selbst in der Kompaktklasse fahren sie schon nach wenigen Jahren klimafreundlicher als Verbrenner.
Die Diskussion ist fast so alt wie der aktuelle Elektroauto-Boom: Klar, lokal fahren E-Autos emissionsfrei, doch bei Rohstoffbeschaffung, Produktion und Stromerzeugung werden sehr wohl Klimagase freigesetzt. Vor allem die Batteriezellen- und Akkuproduktion ist CO2-intensiv. Daher starten Elektromobile meist mit einem schweren CO2-Rucksack in den Straßenverkehr.
Studien, die den CO2-Fußabdruck der Elektroautos ermitteln und ins Verhältnis zu konventionell angetriebenen Autos setzen, gibt es mittlerweile viele. Üblicherweise ergeben sie: Ja, E-Autos schneiden bei der CO2-Bilanz von der „Wiege bis zum Grab“ (das sogenannte Life-Cycle-Assessment) besser ab. Uneinigkeit besteht meist darüber, wann das E-Auto den Verbrenner überholt. Nach jüngsten Berechnungen ist das zunehmend früher der Fall.
Laut dem ADAC spielen Elektroautos der Golfklasse wie beispielsweise ein VW ID.3 bereits nach etwa 45.000 bis 60.000 Kilometern ihre Vorteile im Betrieb aus. Wird nur Strom aus regenerativen Quellen fürs Laden verwendet, müssen Elektroautos sogar nur 25.000 bis 30.000 Kilometer fahren, bis sich ihre CO2-Bilanz im Vergleich zu Dieseln und Benzinern verbessert.
Verbrenner mit Bio-Methan schlägt Elektroauto
Grundlage für diese Zahlen ist ein ein sogenanntes „LCA (Life-Cycle-Analyse) -Tool“, das die Motorsport-Organisation FIA und der österreichische Automobilclub ÖAMTC in Auftrag gegeben haben. Die Grazer Forschungsgesellschaft Joanneum Research hat es umgesetzt und jüngst aktualisiert.
Als Grundlage für die Ermittlung der CO2-Bilanz in der Golfklasse wird eine Gesamtlaufleistung von 240.000 Kilometern über eine Haltedauer von 16 Jahren angenommen. Als Basis dienen die durchschnittlichen Klimagasemissionen im Jahr 2022, die dann bis 2037 hochgerechnet werden. Veränderungen beim Strommix, die in diesem Zeitraum zu erwarten sind, werden berücksichtigt.
Demnach käme ein kompaktes Elektroauto über den gesamten Zeitraum auf einen CO2-Ausstoß von 115 Gramm pro Kilometer, wenn der deutsche Strommix zugrunde gelegt wird. Wird ausschließlich mit Strom aus regenerativen Energiequellen geladen, wären es nur 62 Gramm pro Kilometer. Im letzten Fall ist kein anderes der untersuchten Antriebskonzepte klimaschonender. Wird mit dem deutschen Strommix geladen, stünden Verbrenner, die ausschließlich mit regenerativem Bio-Methan betrieben werden, mit 104 Gramm pro Kilometer etwas besser da.
eFuels könnten einen Beitrag zum Klimaschutz leisten
Die schlechteste CO2-Bilanz weist demnach der Benziner auf. 244 g CO2/km fallen über den gesamten Lebenszyklus gerechnet an, beim Diesel sind es 209 g/km. Erdgas folgt mit 193 g/km. Danach folgt schon ein Brennstoffzellenfahrzeug, bei dem der Wasserstoff via Dampfreformierung aus Erdgas gewonnen wird (179 g). Wird der Wasserstoff unter Einsatz regenerativer Energie gewonnen, wären es nur 67 g CO2/km. Plug-in-Hybride folgen mit 166 Gramm (Strommix) bzw. 135 Gramm (Windstrom).
Zusätzlich werden auch eFuels berücksichtigt. Also Verbrenner, die mit synthetischem Kraftstoff betrieben werden. Der sich allerdings noch in der Entwicklung befindet. Je nach Art der Gewinnung würden eFuel-Diesel 77 oder 66 g CO2/km über den Lebenszyklus ausstoßen. Nah am mit grünem Strom betriebenen Elektroauto also.
Kleiner ist besser für das Klima
Die Beispiele bilden jedoch nur einen Teil der automobilen Realität ab. Im LCA-Analyse-Tool lassen sich Parameter anpassen sowie Modelle aus anderen Fahrzeugklassen auswählen und ihre Antriebsarten vergleichen. Dabei zeigt sich: Wenig überraschend spielt nicht nur die Antriebsart eine Rolle, sondern auch die Fahrzeuggröße. Vergleicht man etwa das Elektroauto BMW i4 M50 mit einem VW Up mit 1,0-Liter-Benziner, zeigt sich: Langfristig fällt die CO2-Bilanz des Stromers zwar immer noch besser aus als die des Benziners. Doch der hohe CO2-Ausstoß bei der Produktion amortisiert sich erst nach knapp 10 Jahren und beinahe 150.000 Kilometern. Klar, ein unfairer Vergleich.
Vergleicht man den Benziner-Up mit dem Elektro-Up, braucht der kleine Stromer nicht mal drei Jahre oder rund 40.000 Kilometer, um den Benziner zu überholen. Legt man eine eher Kleinstwagen-typische Jahreslaufleistung von 8.000 Kilometern zugrunde, dauert es demgegenüber fast fünf Jahre bis der e-Up gleichzieht. Logisch, wenig gefahren, kann das E-Auto seine Kraftstoff-Vorteile erst später ausspielen.
Doch wie sieht es aus, wenn ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien der EU fürs Laden genutzt wird? Hier geht das LCA-Tool von 28 g CO2/kWh aus. Der e-Up überholt den Verbrenner bei 8.000 km/Jahr wieder nach drei Jahren. Am Ende des 16 Jahre währenden Autolebens hätte der e-Up insgesamt 10 Tonnen CO2 ausgestoßen, der Benziner mit 25 Tonnen 2,5-mal so viel. Erhöhen wir wieder die Laufleistung auf 15.000 km per anno, sind nur 1,5 Jahre nötig bis zum Unentschieden. Nach 16 Jahren und 240.000 Kilometern hat der Benziner mehr als 42 Tonnen Treibhausgase in die Atmosphäre entlassen, der Elektro-Up nur 11,1 Tonnen.
Diesel-Kombi, Diesel-Plug-in-Kombi oder Diesel-SUV?
Mit dem LCA-Analyse-Tool lassen sich bis zu drei unterschiedliche Fahrzeuge auswählen und ihre CO2-Bilanz vergleichen. Wer sich mit dem Gedanken trägt, sich ein neues Auto anzuschaffen, kann hier also checken, welche Option aus Klimaschutz-Gründen die beste wäre. Und würde zum Beispiel feststellen, dass ein Plug-in-Hybrid wie der Mercedes E 300 de als Kombi schon nach rund 20.000 Kilometern Fahrleistung eine bessere CO2-Bilanz aufweist als ein E 300 d T-Modell mit Dieselantrieb. Das SUV aus dem gleichen Segment (GLE 300 d 4Matic) fällt quasi mit dem ersten Kilometer hinter Diesel-Kombi und Diesel-PHEV-Kombi zurück. Vorausgesetzt, letzterer wird zu rund 30 Prozent rein elektrisch mit deutschem Strommix bewegt.
Womit noch ein Faktor eingeführt wäre, der im LCA-Tool natürlich nicht berücksichtigt wird: Der Mensch. Fahrweise und Ladeverhalten haben schließlich auch einen Einfluss auf die CO2-Bilanz.
Fazit:
Strom lohnt sich. Je nach Akkugröße, Fahrleistung und Strommix sogar sehr schnell. Diese Gewissheit setzt sich zunehmend durch, nachdem noch vor wenigen Jahren einige Studien kein vorteilhaftes Bild von der CO2-Bilanz der E-Mobilität gezeichnet haben. Wasserstoff und eFuels haben zwar Potenzial, doch beim jetzigen Entwicklungsstand sind sie keine echte Alternative zur E-Mobilität.
Heiko | @MobilityTalk
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