Lebensraum statt Parkraum: Die Digitalisierung der Parkplätze
Der „ruhende Verkehr“, das Parken also, ist in vielen Städten ein Problem. Muss Parken teurer werden? Wie kann die Digitalisierung helfen? Expert*innen fordern dynamische Parkgebühren und eine gerechtere Lastenverteilung.
Es gibt eine interessante Zahl: Zu Spitzenzeiten, wenn die Städte zur Rush-Hour brummen, suchen bis zu einem Drittel der Autofahrenden einen Parkplatz. Gemessen hat das für deutsche Städte niemand so ganz genau. Doch als Schätzung sei dies realistisch, sagt die Verkehrsforscherin Barbara Lenz vom Institut für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Hierzu eine kurze Anekdote aus meinem Leben als Berufspendler. Eine Zeit lange durfte ich als Freiberufler einen Tiefgaragenstellplatz eines meiner Auftraggeber fürs Auto nutzen. Doch dann gab es Umstrukturierungen im Unternehmen, und die Bequemlichkeit hatte ein Ende. Ich musste mich morgens in der Innenstadt am Straßenrand nach einem Stellplatz umschauen und wurde damit in den Parksuchverkehr gezwungen. Manchmal dauerte es eine halbe Stunde bis ich fündig wurde – und das nicht selten, nachdem ich ohnehin schon Zeit im Pendlerstau vergeudet hatte.
Was tat ich? Ich stieg aufs Fahrrad um, denn neue Fahrradabstellanlagen hatte das Unternehmen auch gebaut. Nun sollen oder können nicht gleich alle Pkw-Pendler aufs Fahrrad oder E-Bike umsteigen. Aber das Beispiel zeigt, welchen Einfluss allein Arbeitgeber*innen auf den innerstädtischen Verkehr haben, wenn sie Mitarbeitenden Parkplätze kostenfrei zu Verfügung stellen. „Dadurch entsteht für diese ein Anreiz, im Pkw, meist in Einzelbesetzung, zur Arbeit zu fahren“, heißt beim Umweltbundesamt (UBA).
Um den „Zufluss von Fahrzeugen“ und damit den Parksuchverkehr zu begrenzen, müssten Parkflächen im öffentlichen Raum mit deutlich höheren Gebühren als heute belegt werden, sagt Verkehrsforscherin Lenz. Gleichzeitig müssten die Radfahr-Infrastruktur und der ÖPNV als Alternativen gefördert werden.
Parkgebühren „schrittweise und moderat“ erhöhen
Auch Kerstin Hurek, Expertin für Verkehrspolitik beim Auto Club Europa (ACE), sieht Handlungsbedarf: „Das PKW-Parken beansprucht überproportional viel öffentliche Fläche, die den Pkw aber zu Preisen zur Verfügung gesteht werden, die nicht den Wert der Fläche für das Allgemeinwohl berücksichtigen.“ Eine Erhöhung von Parkgebühren müsse jedoch „schrittweise und moderat“ erfolgen: „Es soll Parkraum nicht reduziert und verteuert werden, bevor nicht gute Alternativen zur Fahrt mit dem eigenen Auto geschaffen worden sind.“
Zudem können Parkgebühren je nach Verkehrsaufkommen zeitlich und räumlich flexibel gestaltet werden – und die Digitalisierung hilft dabei. So konnte in San Francisco der Parksuchverkehr um 43 Prozent gesenkt werden. Die kalifornische Stadt rüstete Stellplätze an Straßen und in Parkhäusern mit Sensoren aus und passt die Parkgebühren je nach Nachfrage an. In sensorgestützter Parkzeitkontrolle und -abrechnung, wie es heute schon von Supermärkten praktiziert werde, sieht Lenz eine der größten Chancen der Digitalisierung beim Parkraummanagement.
Ob Menschen das Auto meiden, hängt aber nicht nur von Alternativen ab, die sie haben. Auch das Baurecht hat Einfluss auf die Wahl des Verkehrsmittels, weil es die Errichtung von PKW-Stellplätzen und Fahrradabstellanlagen regelt. Letztere gehören zum Beispiel in Berlin zu vielen neuen Bauvorhaben. Denkbar ist auch, Verkehrsteilnehmenden Rabatte einzuräumen, wenn sie Park & Ride nutzen. Oder Park- und ÖPNV-Tickets zu kombinieren, wie es etwa Wien so erfolgreich praktiziert, dass sogar die Anzahl der Pkw pro 1.000 Einwohner sank.
Ladeinfrastruktur mit Parkgebühren kombinieren
Auch die E-Mobilität kann vom Parkraummanagement profitieren. Können Elektroautos ermäßigt oder kostenfrei parken, ist dies im Sinne der Energiewende im Verkehr. Längst haben große Player wie Parkopedia, nach eigenen Angaben weltweit größter Anbieter von digitalen Parkdiensten, die Verknüpfung von Ladeinfrastruktur und Parkraumbewirtschaftung entdeckt. Bis zu einem Drittel der potenziellen Besitzer*innen von E-Fahrzeugen könnten ihr Fahrzeug nicht zu Hause aufladen, schätzt das Unternehmen. „Park and Charge“ heißt das Produkt, für das Parkopedia Daten von über 70 Millionen Parkplätzen weltweit nutzt. Es soll E-Auto-Fahrenden das Auffinden von Lademöglichkeiten erleichtern und umfasst Ladestationen in Parkhäusern.
Steigende Parkgebühren rechtfertigen viele Kommunen allein mit den Kosten, die durch Parkplätze entstehen. Diese trägt bislang die Allgemeinheit. Parkanlagen müssen errichtet und gepflegt werden. Autos stoßen im Parksuchverkehr schädliche Abgase aus, verursachen Lärm und Unfallkosten. Nicht nur der Autoclub ACE ist der Ansicht, dass mehr Geld in die Digitalisierung und Vernetzung der Verkehrsträger fließen müsste. So ließen sich Verkehrsflüsse besser steuern und die Kollateraleffekte verringern. Auch Autohersteller treiben die Entwicklung voran.
Smartes Parken gegen Suchverkehr im Parkhaus
Zu den Errungenschaften des Fortschritts zählt auch eine intelligente Zugangsverwaltung. Schranken öffnen sich dank Chip-Technik wie von Geisterhand. Die Navigation in Parkhäusern- und -tiefgaragen funktioniert dank hochpräziser Indoor-Karten auch dort, wo kein GPS-Signal mehr empfangen werden kann. Bis zum aktuell freien Stellplatz. Solche Funktionen können auch in Parkhäusern selbst den Parktsuchverkehr verringern. Die meisten Dienste, die Autofahrende in die Navigation einfließen lassen können, errechnen derzeit jedoch lediglich Wahrscheinlichkeiten dazu, wo Parkplätze am Straßenrand frei sind.
Diese als „Smart Parking“ bekannten Dienste sind strukturell nicht unumstritten. Zum einen liegen in vielen Städten nur eingeschränkt Daten zur Auslastung von Parkplätzen vor. Zum anderen funktioniert Verkehrswende eben auch über Leidensdruck: Wenn digitale Helfer Autofahrenden die Parkplatzsorge nehmen, besteht womöglich kein Grund mehr, Bus, Bahn oder das Fahrrad zu nutzen. Das Umweltbundesamt schreibt: „Neben den positiven Auswirkungen wie der Verringerung des Parksuchverkehrs besteht die Gefahr, dass neue Verkehre induziert werden oder eine Verlagerung von nachhaltigen Verkehrsmitteln zum Pkw erfolgt.“
Gegensteuern lässt sich seitens der Kommunen mit flexibler Preisgestaltung, die sich digital besonders gut und transparent umsetzen lässt, da Nutzer*innen zum Beispiel in Smartphone-Apps nicht nur aktuelle Parkgebühren angezeigt bekommen, sondern diese per hinterlegtem Zahlungsmittel direkt bezahlen können.
Amsterdam nutzt die digitalen Möglichkeiten bereits für die Parkraumüberwachung. Speziell ausgestattete Pkw fahren durch die Straßen der Stadt und scannen die Nummernschilder parkender Autos. In Abgleich mit behördlichen Datenbanken wird ermittelt, ob das jeweilige Kennzeichen ein digitaler Parkschein gelöst wurde. Falls nicht, wird automatisch ein Strafzettel zugestellt. Knöllchen hinterm Scheibenwischer gibt’s bei diesem Verfahren nicht mehr.
Digitales Parkplatz-Sharing
Die konsequente Sanktionierung von Regelverstößen ist laut Verkehrsforscherin Lenz ein wichtiger Faktor. Nach Einschätzung der Agora Verkehrswende besteht in Deutschland bei der Höhe von Geldbußen noch Nachholbedarf: „In Verbindung mit einer häufig unzureichenden Kontrolle kann dies dazu führen, dass es für Pkw-Fahrer wirtschaftlich günstiger ist, die Ahndung mit einem Bußgeld zu riskieren als die Parkgebühren zu entrichten.“ Dabei wären Optionen der Vernetzung vielfältig: Sind Daten zum eigenen Auto zum Beispiel in der App hinterlegt, können Parkgebühren auch nach Schadstoffklassen gestaffelt werden. Dreckschleudern zahlen mehr, E-Autos gar nichts.
Auch Stellplatz-Sharing ist ein Kind der Digitalisierung. Der Gedanke hier: Private Stellplätze, die tagsüber frei sind, können zum Beispiel Berufspendelnden über Sharing-Plattformen gegen Gebühr zur Verfügung stehen. Das senkt die Kosten und verbessert die Auslastung. „Die einzelnen Nutzenden profitieren durch die geteilten Kosten, und gleichzeitig sinkt der Flächenbedarf für das Parken“, schreibt das Umweltbundesamt. Im Geschäft mit privaten Stellplätzen mischen Weltmarktführer Parkopedia und andere Anbieter bereits mit.
23 Stunden am Tag stehen Autos ungenutzt herum, schreibt die Agora Verkehrswende. Ein großer Teil der städtischen Flächen wird vom sogenannten „ruhenden Verkehr“ belegt. Wenn Straßen dauerhaft zugeparkt sind, muss man das nicht schön finden. Historischen Straßenzüge sähen ohne das Blech am Bordstein schöner aus. Würden Pkw- zu Fahrradstellplätzen, Spielplätzen und Aufenthaltsflächen umgewidmet, trüge auch das zur Änderung des Mobilitätsverhaltens bei. Laut Barbara Lenz vom DLR müssten Parkflächen im öffentlichen Raum deutlich reduziert und in einzurichtenden Quartiersparkflächen und -garagen gebündelt werden.
Die Verkehrssicherheit würde dadurch verbessert: „Parkende Autos sind ein Sicherheitsrisiko für viele andere Verkehrsteilnehmer“, sagt ACE-Expertin Hurek. Ziel müsse sein, die Stadt attraktiver zu machen. Sei es auch nur durch Sichtachsen, die frei werden, wenn Parkplätze dauerhaft autofrei werden und Kreuzungen einsehbar sind. Das ist doch mal ein Lichtblick.
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