Der Bußgeldkatalog für S-Pedelecs

Schnelle E-Bikes bis 45 km/h sehen aus wie Fahrräder, gelten aber als Kraftrad. Damit gelten andere Bestimmungen und andere Bußgelder. Welche, liest Du hier. Wann kommt eine Gesetzesänderung?

Björn Tolksdorf
Björn Tolksdorf
S-Pedelec-Fahrer
S-Pedelecs gelten laut StVO als Kraftrad. Für die Benutzung sind daher ein Führerschein der Klasse AM und ein Versicherungskennzeichen nötig [Bildquelle: picture alliance / dpa Themendienst | Zacharie Scheurer]

Sie sehen sich ähnlich, aber das Gesetz unterscheidet E-Bikes in zwei Klassen: In Pedelecs und S-Pedelecs. Ein Pedelec ohne S hat eine fahrrad-typische Sicherheitsausstattung und eine Tret-Unterstützung durch einen Elektromotor mit maximal 250 Watt. Er unterstützt bis maximal 25 km/h. Wer mit einem Pedelec schneller fährt als 25 km/h, muss dies mit seiner Muskelkraft tun.

Solche Pedelecs gelten rechtlich als Fahrrad. Sie dürfen auf dem Radweg fahren, es besteht in Deutschland weder eine Helmpflicht noch eine Versicherungspflicht. Auch eine spezielle Fahrerlaubnis ist nicht nötig, rechtlich dürfen auch Kinder solche E-Bikes fahren.

S-Pedelecs unterscheiden sich davon durch mehr Leistung (bis zu 4.000 Watt Nenndauerleistung) und eine Tretunterstützung bis 45 km/h. In der Praxis sind die übrigen Komponenten auf höhere Geschwindigkeiten ausgelegt – vor allem die Bremsen. Der entscheidende rechtliche Unterschied: Mit diesen schnellen E-Bikes fährt man laut Straßenverkehrsordnung (StVO) kein Fahrrad, sondern ein Kraftrad.  Der Gesetzgeber stellt das S-Pedelec einem Mofa oder Motorroller gleich.

S-Pedelecs: Bußgeldkatalog

Da S-Pedelecs vor dem Gesetz Krafträder sind, gelten für sie bei der Ahndung von Verkehrsverstößen andere Bedingungen als beim Fahren mit dem Fahrrad. Viele Verstöße gegen die StVO, die mit dem Fahrrad möglich sind, sind auch mit dem S-Pedelec möglich. Dazu gehört etwa das Fahren mit beeinträchtigtem Gehör durch zu laute Kopfhörer. Weitere Infos zum Bußgeldkatalog für Fahräder liest Du hier. Teilweise gelten jedoch andere Maßstäbe. Alkohol am Lenker beispielsweise wird auf dem S-Pedelec strenger betraft. Wer mit dem S-Pedelec auf dem Radweg fährt und erwischt wird, zahlt 15 Euro. Besonders gefährlich: Wer sich ohne eine Fahrerlaubnis (Führerschein) auf ein S-Pedelec setzt, riskiert hohe Geld- und eventuell sogar Haftstrafen. Dies ist eine Straftat. Auf dem normalen Fahrrad ist kein Führerschein nötig.

OrdnungswidrigkeitBußgeld / StrafeBemerkung
Fahren ohne korrekt angebrachtes Kennzeichen (Versicherungskennzeichen, Versicherung besteht)10 EuroVerwarnung
Fahren ohne gültiges Kennzeichen
(Versicherungskennzeichen, Versicherung abgelaufen bzw. nicht abgeschlossen)
40 EuroDas Fahren ohne Versicherung ist eine Straftat. Es droht Geld- bzw. Freiheitsstrafe.
Fahren ohne Helm15 EuroVerwarnung
Fahren unter Alkoholeinfluss500-1.500 Euro;
Straftatbestand möglich.
Feststellung der Fahruntüchtigkeit zw. 0,5 (Unfall: 0,3) und 1,1 Promille Ermessenssache; dann bis zu 365 Tagessätze
Fahren ohne Fahrerlaubnis (entzogen oder nicht erworben)StraftatFahrlässig: Bis 6 Monate Haft oder 180 Tagessätze; vorsätzlich: Bis 1 Jahr
Fahren ohne Mofa-Führerschein bzw. Pkw-Führerschein (vergessen o.ä.)10 EuroVerwarnung
Fahren mit dem S-Pedelec auf dem Radweg15 EuroVerwarnung;
Mit Behinderung 20 EUR; Gefährdung 25 EUR; Unfall 30 EUR
Fahren auf dem Gehweg55 EuroVerwarnung
Befahren einer Einbahnstraße in falscher Richtung (wenn für Fahrrad in beide Richtungen frei)25 EuroVerwarnung

Die Frage, ob S-Pedelecs auf dem Radweg verboten bleiben sollen, ist umstritten. In der Schweiz müssen S-Pedelecs sogar auf dem Radweg fahren,  in Deutschland ist dies verboten. Mehr Infos zu abweichenden Verkehrsregeln in den Nachbarländern findest Du hier. Das Radweg-Verbot gilt sogar außerorts, wenn der Radweg nicht per Beschilderung freigegeben ist. Dabei wäre ein S-Pedelec-Fahrender außerorts auf dem Ragweg sicherer als auf der Straße, wo die Autos bis zu 100 km/h schnell fahren dürfen. In Tübingen wurden einzelne Radwege in einem Modellprojekt für S-Pedelecs geöffnet. Argument: Ein Porsche darf auch in der Tempo-30-Zone fahren, obwohl er schneller könnte. Auch auf Waldwegen, die nicht für Kraftfahrzeuge freigegeben sind, dürfen S-Pedelecs nicht bewegt werden. Es ist möglich, dass sich hier in den kommenden Jahren etwas ändert. Für das berufliche Pendeln sind die schnellen E-Bikes schließlich eine interessante Alternative zum Auto.

S-Pedelec: Kommt eine Gesetzesänderung?

Auch die Politik versteht, dass die vielen Einschränkungen für die schnellen E-Bikes ihre Verbreitung ausbremsen. Das gilt vor allem für das Verbot, auf dem Radweg zu fahren. Deshalb plant die EU-Kommission neue Fahrzeugklassen für das S-Pedelec. Das berichtet der Pressedienst Fahrrad im November 2022. Allerdings: „Das Problem besteht nicht darin, dass SPedelecs als Krafträder eingestuft werden, sondern das Problem ist die Straßenverkehrsordnung, zitiert der Pressedienst Markus Riese vom Fahrradhersteller Riese & Müller. Sein Vorschlag: Kommunen sollten selbst entscheiden dürfen, ob sie S-Pedelecs auf Radwegen zulassen. Bis die EU neue Fahrzeugklassen einführt, die für S-Pedelecs gelten, wird es wohl mindestens noch drei Jahre dauern.

S-Pedelec: Technische Anforderungen

Die Einstufung von S-Pedelecs als Kraftrad bringt Anforderungen mit sich, die Fahrradfahrende vom Rad nicht kennen. S-Pedelecs benötigen ein Versicherungskennzeichen und die Fahrenden mindestens den Führerschein AM. Beim Fahren gilt außerdem Helmpflicht, ein geeigneter Helm ist vorgeschrieben. Das Fahren mit Anhänger ist nicht gestattet. Wie auch Motorroller oder Mofas, dürfen S-Pedelecs nicht auf dem Radweg fahren. Sie dürfen für Radfahrende in Gegenrichtung  freigegebene Einbahnstraßen nicht in Gegenrichtung durchfahren. Beim Alkohol gelten die gleichen Bestimmungen wie im Auto: Maximal 0,5 Promille bleiben straffrei, wenn nichts passiert. Auf dem Fahrrad sind es 1,6 Promille. Die Ausstattung von S-Pedelecs weicht ebenfalls vom Fahrrad ab, es gelten Bestimmungen wie bei Mofas. So brauchen S-Pedelecs einen Rückspiegel, eine Schiebehilfe bis 6 km/h, eine Kennzeichenbeleuchtung, eine Hupe, einen Seitenständer und ein Bremslicht. Ein weiterer Punkt: Wer sein S-Pedelec umbauen will, muss sich auf Teile beschränken, die von der Betriebserlaubnis des S-Pedelecs abgedeckt sind. Für die legale Umrüstung von 45-km/h-E-Bikes gibt es Positivlisten und einen Leitfaden des Zweirad-Industrieverbands.

Achtung: Die entsprechende EU-Typengenehmigung gilt seit Anfang 2017. Es ist möglich, dass für ältere S-Pedelecs andere Bestimmungen gelten. So war bis 2017 das Fahren ohne Muskelkraft bis 16 km/h gestattet, jedoch durften die Fahrzeuge nur 500 W Leistung besitzen. Auch eine Hupe war nicht vorgeschrieben. Ältere Modelle müssen nicht umgerüstet werden.

Rücklicht S-Pedelec
Laut Gesetzgeber ist unter anderem eine Kennzeichenbeleuchtung am Heck des S-Pedelecs Pflicht [Bildquelle: picture alliance / dpa Themendienst | Robert Guenther]

Pedelec zum S-Pedelec tunen: Hohe Strafen drohen

Viele E-Bike-Besitzer würden ihre Elektro-Power gern auch über 25 km/h nutzen. Dann spricht man von Tuning des Pedelecs. E-Bikes etwa von Van Moof oder Cowboy ließen sich in der Vergangenheit mit einem Klick in der App von der EU-Version auf die US-Version umschalten. Damit war eine Unterstützung bis 32 km/h aktiv. Die Polizei verhängte schon wegen des Vorhandenseins der Funktion empfindliche Strafen. Allein durch die Option, sie schneller zu machen, waren die Räder rechtlich gesehen nicht verkehrstauglich. Beide Hersteller entfernten das Feature aus der App.

Auch mit Nachrüst-Kits aus dem Internet oder einer simplen Manipulation am Geschwindigkeitssensor lässt sich das Pedelec tunen. Allerdings: Die rechtlichen Folgen können schmerzen. Durch die Manipulation erlischt die Betriebserlaubnis des Pedelecs. Das Fahren ohne Betriebserlaubnis kostet 70 Euro Bußgeld und bringt einen Punkt in Flensburg. Vor allem aber: Mit der erhöhten Höchstgeschwindigkeit der Motorunterstützung wird das Pedelec zu einem versicherungspflichtigen Kraftfahrzeug. Da die Manipulation verboten ist, existiert keine Versicherung. Das Fahren eines solchen Fahrzeugs ohne Versicherung kann als Straftat geahndet werden.

Auch die Privathaftflicht springt nicht ein, wenn es zu einem Unfall kommt. Das bedeutet, dass Fahrende bei einem von ihnen verursachten Unfall mit ihrem gesamten Vermögen haften. Besitzt der Radfahrende zusätzlich keine Fahrerlaubnis, kommt der Straftatbestand „Fahren ohne Fahrerlaubnis“ hinzu.

Manipulierte S-Pedelecs: Motorräder ohne Versicherung

Ähnliches gilt, wenn ein S-Pedelec so manipuliert wird, dass der Motor bei Geschwindigkeiten über 45 km/h unterstützt. Auch dann erlischt die Betriebserlaubnis, ebenso die Versicherung. Der normale Führerschein Klasse AM bzw. B (Pkw) genügt nicht mehr, ein Motorradführerschein wäre nötig. Vor Gericht lassen sich solche Manipulationen einfach nachweisen. Fast jedes Pedelec speichert Fahrdaten wie die Durchschnittsgeschwindigkeit in einen Speicher. Beamt*innen, die entsprechende Kontrollen durchführen, erkennen Manipulationen zudem meist schnell. Sie sind darin geübt.

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