Uber ist nicht grün: CO2-Bilanz nach Verkehrsmittel

Die Mobilitätswende funktioniert nur, wenn alle Verkehrsmittel zusammenwirken. Und wenn sie insgesamt nachhaltiger werden. Doch wie gut ist die CO2-Bilanz von Bahn, E-Scooter, Uber und Co?

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Heiko Dilk
Zu sehen sind ein E-Roller, E-Scooter und E-Moped vor einem VW Sharing Auto
Was darf's denn sein, U-Bahn, Scooter oder E-Bike? Intermodaler Verkehr ist ein wichtiger Baustein der Mobilitätswende. Welche Verkehrsmittel am wenigsten dem Klima schaden, steht hier [Bildquelle: Wolfram Steinberg/Picture-Alliance]

Die Mobilitätswende funktioniert nur intermodal. Man kann nun mal nicht überall zu Fuß hingehen. Intermodaler Verkehr, also die Verknüpfung unterschiedlicher Verkehrsmittel für einen Weg, sorgt im besten Fall dafür, dass ein Verkehrsmittel mit schlechter CO2-Bilanz vermieden wird. Also: Zu Fuß geht’s zum Sharing-Fahrrad, damit zur U-Bahn. Mit der U-Bahn zum Regionalzug und mit dem aufs Land. Dann lässt man sich mangels Alternativen mit dem Pkw abholen. Früher wäre man einfach ins Auto gestiegen und losgefahren. Zu Lasten der Umwelt.

Dank der Digitalisierung lassen sich diverse, sogenannte neue Mobilitätsformen in den Weg einbauen. Geteilte E-Scooter oder E-Bikes, Carsharing oder Fahrdienste wie Uber, Freenow oder Bolt.  Doch nur weil eine Mobilitätsform neu ist, muss sie nicht nachhaltig sein. Beispiel E-Scooter: Sie stoßen zwar lokal kein CO2 aus. Aber es wird bei der Produktion, bei der Stromerzeugung, und bei der Wartung freigesetzt. Wie klimaschonend sind sie also? Wie klimaschonend sind Fahrdienste? Wie schneiden klassische Verkehrsmittel wie das eigene Auto oder die U-Bahn ab?

CO2-Ausstoß: Von der Wiege bis ins Grab

Das International Transport Forum (ITF) hat sich bereits 2020 ausführlich mit dieser Frage beschäftigt. Es wird getragen von der OECD (Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit), der 38 zumeist hochentwickelte Staaten angehören, darunter Deutschland, die USA, Frankreich und Großbritannien. Aufgabe der OECD ist das Länder übergreifende Erarbeiten von Lösungen für gemeinsame Probleme in fast allen politischen Bereichen außer der Verteidigung. Der ITF wiederum versteht sich als verkehrspolitischer Thinktank der OECD.

Die Wissenschaftler des ITF untersuchten die CO2-Bilanz der verschiedenen Verkehrsträger „von der Wiege bis ins Grab“. Also von der Materialgewinnung über die Produktion und die CO2-Kosten der Infrastruktur (Straßen, Wege, Tunnel, Brücken etc.) bis zur Verschrottung oder dem Recycling. Dabei achteten sie vor allem auf neue Mobilitätsformen wie Sharing-Konzepte. 

Bei dieser geteilten Mobilität rückt zusätzlich zu Produktion und Betrieb das „Drumherum“ stärker in den Fokus. CO2-Emissionen entstehen bei der Wartung der Fahrzeuge, beim Aufladen oder Auftanken, beim Umparken oder beim sogenannten „Deadheading“. Das sind Fahrzeugbewegungen oder Fahrten, die ohne Nutzer oder Passagiere erfolgen. Sie sind zum Beispiel nötig, um die Fahrzeuge so im Gebiet zu verteilen, dass Nutzende sie finden. All diese Faktoren hat das ITF berücksichtigt und so die Treibhausgas-Emissionen pro Personenkilometer (pkm) für die verschiedenen Verkehrsträger ermittelt.

Das eigene Fahrrad schont das Klima

Wenig überraschend: Wer mit dem eigenen Fahrrad unterwegs ist, fährt mit Abstand am umweltfreundlichsten. Trotzdem rechnet das ITF noch mit um die 20 Gramm CO2 pro Personenkilometer. Etwas mehr als die Hälfte davon entfällt auf die genutzte Infrastruktur, das Fahrrad selbst spielt die kleinere Rolle. Bei U- und S-Bahn wiederum, entfallen fast zwei Drittel auf die Antriebsenergie. Produktion und Rohstoffe fallen wegen der langen Lebensdauer und der hohen Passagierkapazität weniger ins Gewicht. Entsprechend ergibt sich ein großes CO2-Einsparpotenzial aus der Verwendung erneuerbarer Energien.

Am schlechtesten schneidet bei der CO2-Bilanz nicht der Privatwagen ab, sondern das Taxi, gefolgt von Fahrdiensten. Pro Personenkilometer (pkm) rechnet das ITF mit deutlich mehr als 200 Gramm CO2. Demnach liegt ein batterieelektrisches Taxi recht exakt bei 250 Gramm, der Fahrdienst mit einem elektrischen Auto unterbietet die 200 Gramm knapp. Beim Privat-Pkw fallen hingegen „nur“ 160 g CO2/Personenkilometer an. Grund dafür ist neben der angenommenen besseren Auslastung (siehe unten), dass kein CO2 für Leistungen rund um den Betrieb anfällt, Deadheading gibt es auch nicht. Bei Fahrdiensten und Taxis macht dieser logistische Anteil teils mehr als ein Drittel des gesamten CO2-Ausstoßes aus. 

CO2-Emissionen in Gramm/pkm nach Verkehrsmitteln Grafik:

Eine Tabelle, die den Treibhausgasausstoß verschiedener Verkehrsmittel darstellt
Das ITF hat ausgerechnet, wie hoch die Treibhausgasemissionen unterschiedlicher Verkehrsmittel ausfallen. Dabei wird der komplette Lebenszyklus von der Rohstoffbeschaffung, über die Produktion, bis zum Betrieb, der Entsorgung und den notwendigen Aufwänden für Logistik und Wartung rund um den Betrieb berücksichtigt [Quelle: International Transport Forum ITF]

Das schlechte Abschneiden von Taxi und Fahrdiensten ist vor allem auf die Betriebskosten zurückzuführen. Leerfahrten spielen eine große Rolle, vor allem beim Taxi, das oft leer zu den Kund*innen fährt und viel „cruisen“ muss, bis wieder Fahrgäste einsteigen. Fahrdienste schneiden demzufolge etwas besser ab. Doch auch hier schlägt das „Deadheading“ auf die CO2-Bilanz durch. Das ITF rechnet im Schnitt mit 0,95 Passagieren pro Fahrt. Beim Privatauto sind es 1,5.

Allerdings berücksichtigt das ITF keine Besonderheiten beim Betrieb in Deutschland. Fahrdienste wie Uber und Co. müssen hierzulande eigentlich nach jeder Tour wieder zum Betriebsgelände zurückkehren, sofern keine Anschlusstour gebucht ist. Sie dürfen, anders als Taxis, nicht klassisch herbei gewunken werden. Diese Faktoren verschlechtern ihre CO2-Bilanz weiter.

Hohe Auslastung = niedriger CO2-Ausstoß

Die Zahl der Insassen ist einer der wichtigsten Faktoren für den Treibhausgas-Ausstoß eines Fahrzeugs. Eine Beispielrechnung des ITF macht das deutlich: Ein Privatauto, das mit nur einer Person besetzt ist, kommt auf einen CO2-Ausstoß von fast 250 g/pkm, ähnlich wie ein Fahrdienst-Auto. Sitzen drei Passagiere im Auto, fällt die CO2-Bilanz bereits günstiger aus als beim Bus. Auch der fährt schließlich oftmals nicht voll besetzt. Vier oder fünf Insassen machen den privaten Pkw klimafreundlicher als die U-Bahn. Ein starkes Argument für Fahrgemeinschaften. Und für eine bessere Auslastung des ÖPNV.

In jüngster Zeit immer wieder im Fokus: Die so genannte „New Mobility“, also beispielsweise geteilte E-Scooter oder Sharing-Bikes. Sie schneiden beim CO2-Ausstoß über den gesamten Lebenszyklus eher schlecht ab. Vor allem, wenn man das privat genutzte Elektroauto als Vergleich heranzieht. Mit rund 125 g CO2/pkm liegt es nur knapp über geteilten E-Scootern. Im Vergleich zu privaten E-Scootern und E-Bikes fällt die CO2-Bilanz fast dreimal so hoch aus. Selbst bei Scootern der jüngsten Generation rechnet das ITF mit deutlich mehr als 100 g CO2/pkm. Ein privater E-Scooter produziert weniger als die Hälfte an Treibhausgasen.

Zu sehen sind zwei ShareNOW Taxis
Taxis und Fahrdienste sind [Bildquelle: Freenow]

Die Lebensdauer von E-Scootern muss steigen

Dabei entfällt bereits ein erheblicher Anteil auf die sogenannte „Fahrzeug-Komponente“. Sie beschreibt Treibhausgase, die bei der Rohstoffbeschaffung und bei der Produktion des Fahrzeugs anfallen. Warum setzt das ITF hier mehr an als bei privaten Scootern? Weil geteilte E-Roller eine deutlich kürzere Lebensdauer haben. Das ITF geht von weniger als 10 Monaten aus. Für jüngere, verbesserte Modelle sollen es immerhin schon 2 Jahre sein. Ein privater E-Scooter halte dagegen drei Jahre, so das ITF.

Neben der geringen Lebensdauer sind es vor allem die CO2-Kosten für Betrieb, Service, Laden und Umparken, die die CO2-Bilanz verhageln. Werden anstelle von Transportern mit Verbrennungsmotor Elektro-Nutzfahrzeuge für Relokation und Laden eingesetzt, hilft das erheblich, den Fußabdruck zu verkleinern.

Faktor: Strommix und Recycling

Natürlich sind all diese Zahlen nicht für alle Zeiten festgeschrieben. Mit fortschreitender Entwicklung ergeben sich bei vielen Verkehrsmitteln immer wieder Einsparungen. Der Einsatz von Recycling-Materialien im Fahrzeugbau etwa. Gelingt es hier, eine Kreislaufwirtschaft etwa für Metalle, Kunststoffe und Batterierohstoffe zu etablieren, kann dies die Umweltbilanz aller Verkehrsmittel verbessern. Das gleiche gilt für die klimaneutrale Produktion der Fahrzeuge oder für den Einsatz von Strom aus erneuerbaren Energien als Kraftstoff.

Mobilität ist also nicht besser, nur weil sie „new“ ist. Sie ist auch nicht schlechter, weil sie „old“ ist. Bus oder U-Bahn schneiden nicht per se besser ab als andere Verkehrsmittel. Die intermodale Vernetzung von Verkehrsträgern dagegen ist der Schlüssel, alle verfügbaren Systeme in ihrem effizientesten Szenario einsetzen zu können. Das setzt voraus, dass die Mobilitätswende gut geplant ist und ihre Bausteine gut nutzbar sind. Nur dann lässt sich eine optimale Auslastung des jeweils klimafreundlichsten Verkehrsmittels gewährleisten.

Heiko Redakteur mobility.talk

Fazit:

Das Potenzial intermodaler Mobilität ist groß, es zu heben komplex. Die zur Verfügung stehenden Verkehrsmittel müssen nahtlos ineinandergreifen, damit ihre Nutzung schnell und bequem funktioniert. Nur so ist eine gute Auslastung garantiert. Dazu muss parallel die CO2-Bilanz jedes einzelnen Verkehrsmittels optimiert werden. Nicht gerade eine triviale Aufgabe.

Heiko | @MobilityTalk

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